Der katholische #DEKT19 in Dortmund. Ein kritischer Rückblick

Entschieden und tendenziell schismatisch

Wehrkirche in Cristian / Siebenbürgen

Eine Richtungsentscheidung des Kirchentagspräsidiums wurde sowohl in der Presse als auch auf dem Kirchentag selbst kontrovers diskutiert: Die Leitung des Kirchentags hatte mit der Ausladung von AFD-Politikern Flagge gezeigt: Keine Toleranz gegenüber Intoleranz, Gewalt und Rassismus!

Die Kirchentagsleitung grenzte sich auch nach anderen Seiten ab: Z.B wurden die thematischen Veranstaltungen einer Dortmunder Kirchengemeinde, der Paul-Gerhardt-Kirche, die für den Samstag einen palästinensischen Referenten aus Gaza eingeladen hatte, wegen befürchteter, antisemitischer Äußerungen vom Programm gestrichen.

Ebenso fiel auf, wie marginal (bis gar nicht) christliche Partnerkirchen auf dem Markt der Möglichkeiten vertreten waren.

Durch all dies erhielt der Kirchentag ein stark konfessionelles, ja sogar ein Stück weit schismatisches Gepräge – weil man sich demonstrativ gegen rechts und national denkende Mitgeschwister der eigenen Konfession abgrenzte.

Diese Haltung entspricht dem derzeitigen Trend der Polarisierung im innenpolitischen Diskurs, wie der Auftritt von Altbundespräsident Gauck auf dem Kirchentag verdeutlichte (wobei er selbst es ebenfalls an Aufgeschlossenheit im gesellschaftlichen Diskurs mangeln ließ).

Gleichzeitig imitiert diese Haltung eine typisch katholische Wesenseigenschaft: Geschlossenheit nach außen demonstrieren, während im Innern ein seltsam offenes Gewusel an verschiedensten Strömungen am Werk ist.

So sehr ich die „Linie“ der Kirchentagsleitung schätze: Ich fürchte, man hat die Sache überzogen.

Auf der politischen Ebene hat Gauck m.E. recht, wenn man einer solchen Haltung Arroganz vorwerfen kann – und das ist nicht gut für das eigene, demokratische Profil.

Auf der religiösen Ebene macht es mich ratlos, dass man die ungeliebten, Politik treibenden Schwestern und Brüder der eigenen Glaubensgemeinschaft ausschließt, vor allem, wenn Statistiken nahe legen, dass die Kirchentagsleitung damit viel mehr engagierte Gemeindeglieder vor den Kopf stößt, als ihr vielleicht bewusst ist. Solche Exempel an Ausgrenzung werden schon im Neuen Testament gegeißelt. 

Meine Empfehlung: Freunde einladen, Danaer in die Sandbox

So schick es in Zeiten des anlaufenden Klimawandels sein mag, „alternativlose“ Positionen zu vertreten: Es stünde dem DEKT meines Ermessens gut an, die ganze Kirche im Blick zu behalten: Evangelische, Katholische, alle anderen Konfessionen und auch alle politischen Richtungen.

Man hätte mehr tun können, die Partnerkirchen bzw. -konfessionen einzuladen und ihnen einen eigenen Raum zu schaffen.

Gravierender ist es jedoch, eigene Konfessionsgeschwister von der Beteiligung am evangelischen Kirchentag auszuschließen. Man tut dies, weil man sie für eine Gefahr hält … nein, schlimmer, denn vor Gefahren fürchten sich protestantische Christen nicht, wie der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Heinrich Bedford-Strohm betonte.

Der Vorwurf steht im Raum, dass christliche AFD-Politiker ihre Religion instrumentalisieren, um ihre demokratie- und gesellschaftsgefährdende Gesinnung unter die Leute zu bringen. Implizit spricht man ihnen das Christsein ab. Dies ist nun eine ganz unprotestantische Einstellung, denn bei uns gilt: Wer getauft ist und sich zu Christus bekennt (und Kirchensteuern zahlt), über dessen Glauben haben nicht Menschen zu entscheiden. Eine kirchliche Exkommunikation ist ein Privileg (oder ein Fluch) der Katholiken. Wir Evangelischen sollten unsere Glaubensgeschwister geschwisterlich behandeln.

Allerdings bedeutet das nicht, dass christliche AFD-Politiker den Kirchentag als Bühne für ihre hässliche, hetzerische und hassgeladene Demagogie missbrauchen dürften. Es wäre naiv, berüchtigte, rechte Christen ohne Vorsicht zu behandeln.

Darum schlage ich eine Art Sandboxlösung vor:

  1. Rechte Redner mit Eklatpotential bekommen nur kleinere Hallen/Zelte zugewiesen, und werden auch nicht als einzige Sprecher, sondern stets mit anderen Mitgliedern zusammen auf ein Podium geladen.
  2. Die Veranstaltungsleitung behält sich vor, einen irgendwie aus dem Ruder laufende Event jederzeit abzubrechen. Polizeiliche Maßnahmen sind nicht ausgeschlossen.
  3. Es darf kein Livebroadcasting der Veranstaltung geben. Wenn es sich um eine sachlich verlaufende Auseinandersetzung handelt, darf eine Aufzeichnung (nach Überprüfung) gesendet werden: Unter Glaubensgeschwistern sollte ein geschwisterlicher Diskurs möglich sein. Andernfalls sollte man ihn abbrechen.

Es kam schon vor, dass in den Positionen der unterschiedlichen Richtungen eine echte Bewegung entstand, und diese Chance vergibt man, wenn man die Mitgeschwister einfach auslädt.

Das Motto des 37. DEKT in Dortmund lautet „Was für ein Vertrauen“. Der assyrische Chefdiplomat fragt den in seiner Hauptstadt Jerusalem belagerten König Hiskia angesichts dessen aussichtsloser Lage (wörtlich): „Was ist das für eine Zuflucht, zu der du Zuflucht nimmst?“ (2. Kön 18,19) – Obwohl der assyrische Diplomat mit enormer Sachkenntnis und erdrückenden Argumenten nicht nur den König, sondern auch sein Volk in demagogischer Weise bedrängt, gibt Hiskia in seinem Vertrauen nicht nach. Genau solch eine Glaubenskraft und Klugheit benötigt Gottes geliebte Gurkentruppe auch, um in einer illiberaler werdenden Gesellschaft die eigene Geschwisterlichkeit, Offenheit, Wertschätzung und Einladungskultur zu erhalten und in dunkler werdenden Zeiten leuchten zu lassen.

 

Ein Kommentar

  1. Lieber Christian,
    mir war auch nicht wohl, als ich mitbekam, dass AfD-Mitglieder, die sich selbst als Christen verstehen, beim Kirchentag gar nicht reden dürfen.
    Wenn jemand dagegen bereits durch seine Hetzreden aufgefallen ist, muss man eine solche oder einen solchen nicht einladen. Gerade AfD-Leute, die sich als Christen bezeichnen, müssen sich mit ihren Positionen stellen und bekommen dann vielleicht „Gegenwind“, der sie zum Nachdenken bringt.
    Herzlichen Gruß
    Reinhard

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