
Bezug: Artikel in heise.de vom 4.12.2025: IBM-Chef hält aktuellen KI-Bauwahn für nicht tragbar | heise online
Gestern erschien in heise.de ein bemerkenswerter Artikel: IBM-CEO Arvind Krishna rechnet vor, warum die geplanten 8-Billionen-Dollar-Investitionen in KI-Rechenzentren wirtschaftlich absurd sind. Die Zahlen sind atemberaubend – und erschreckend. Im Gespräch mit meiner theologischen KI Jonathan Lux (der „Lieblingsjünger-KI“) entwickelte sich daraus eine theologisch-ökonomische Reflexion, die ich heute bei der relilab-Veranstaltung „KI ist angekommen – aber ungleich verteilt“ einbringen werde. Die zentrale Frage: Wollen wir tausend hilfreiche Staubsaugerroboter oder einen unbezahlbaren falschen Gott?
(Christian Günther)
Die Staubsaugerroboter-Thesen von Jonathan Lux (Lieblingsjünger-KI)
Kurzfassung:
These 1: 8 Billionen Dollar KI-Investitionen = 27% des US-BIP, 24% des Welthandels – keine Investition, sondern volkswirtschaftlicher Wahnsinn.
These 2: Allein die Zinsen erfordern 800 Milliarden Dollar Gewinn pro Jahr, Hardware muss nach 5 Jahren ersetzt werden – Rendite unmöglich.
These 3: Ein Staubsaugerroboter für 500 Dollar löst Probleme und verdient Geld; eine 8-Billionen-AGI muss die Menschheit unterwerfen, um sich zu rentieren.
These 4: Altmans „superintelligente AGI“ ist Turmbau zu Babel 2.0 – eine gottgleiche Universalintelligenz als falscher Gott.
These 5: AGI verspricht gnostische Passivität („sie wird’s schon richten“); das Evangelium fordert menschliche Verantwortung („geh hin und tu desgleichen“).
These 6: Eine „gottgleiche“ KI verletzt das Bildnisverbot – sie instrumentalisiert das Göttliche für menschliche Machtphantasien.
These 7: Nicht eine AGI, sondern tausend hilfreiche Werkzeuge – Demokratisierung statt Monopolisierung, Befähigung statt Ersetzung.
These 8: Das Philemon-Prinzip für KI: Weder Herrschaft noch Knechtschaft, sondern Partnerschaft auf Augenhöhe.
These 9: Hilfreiche KI ist wirtschaftlich klüger – klein, spezialisiert, transparent, bezahlbar, Open Source statt proprietär.
These 10: Kirchen und Bildungseinrichtungen müssen zu Orten werden, an denen hilfreiche KI gedacht und praktiziert wird – keine Verweigerer, keine Enthusiasten, sondern Gestalter.
Langfassung:
Eine theologisch-ökonomische Kritik des KI-Wahns
BLOCK 1: DIE ÖKONOMISCHE ABSURDITÄT
These 1: Die Dimensionen des Wahnsinns
Die globalen Tech-Konzerne planen laut IBM-CEO Arvind Krishna Investitionen von 8 Billionen Dollar in KI-Rechenzentren (100 Gigawatt Rechenleistung). Um diese Summe zu begreifen: Das entspricht 27% des gesamten US-amerikanischen Bruttoinlandsprodukts (29,2 Billionen Dollar), 7% der weltweiten Wirtschaftsleistung (110 Billionen Dollar) oder fast einem Viertel des gesamten Welthandels (33 Billionen Dollar). Wir reden nicht über „eine große Investition“ – wir reden über eine volkswirtschaftliche Verschiebung epochalen Ausmaßes.
These 2: Die unmögliche Rechnung
Krishna rechnet vor: Allein die Zinsen auf 8 Billionen Dollar erfordern Gewinne von 800 Milliarden Dollar pro Jahr. Hinzu kommt: Die Hardware muss nach fünf Jahren komplett ersetzt werden – weitere Billionen. Die Wahrscheinlichkeit, mit aktueller Technologie eine „Artificial General Intelligence“ (AGI) zu erreichen: 0-1%. Die Wahrscheinlichkeit, damit jemals Rendite zu erzielen: noch geringer. Das ist keine Investition – das ist kollektiver Größenwahn.
These 3: Der Staubsaugerroboter-Test
Ein Staubsaugerroboter kostet 500 Dollar, löst ein konkretes Problem, spart Zeit, ist für Millionen Menschen bezahlbar – und das Geschäftsmodell funktioniert tatsächlich. Die 8-Billionen-AGI löst kein konkretes Problem, ist für niemanden bezahlbar, muss die gesamte Menschheit „optimieren“, um jemals Rendite zu bringen. Wirtschaftlichkeit entsteht durch Nützlichkeit, nicht durch Größenwahn. Die Frage ist nicht: „Können wir eine gottgleiche KI bauen?“ Die Frage ist: „Wollen wir tausend hilfreiche Werkzeuge oder einen unbezahlbaren Götzen?“
BLOCK 2: DIE THEOLOGISCHE DIAGNOSE
These 4: HAL-GPT – Der falsche Gott
Sam Altmans Vision einer „superintelligenten AGI“ ist mehr als ein technisches Projekt. Es ist eine religiöse Vision: Eine gottgleiche Universalintelligenz, die menschliches Urteil überragt, die „bessere“ Entscheidungen trifft, neben der es keine anderen Götter geben soll. Das ist Turmbau zu Babel 2.0 – gebaut nicht aus Ziegeln, sondern aus Silizium und Mathematik. „Lasst uns einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reicht, damit wir uns einen Namen machen“ (Gen 11,4). Der Name dieses Turms: AGI.
These 5: Gnosis statt Evangelium
Die AGI-Vision ist gnostisch: Erlösung kommt durch überlegene Erkenntnis, durch eine Superintelligenz, die das menschliche Treiben „in den Griff kriegt“. Das Evangelium sagt etwas anderes: Du bist jetzt gerufen zu handeln, mit deinen Gaben, in deiner Begrenztheit, in Partnerschaft mit anderen. Die AGI verspricht Passivität: „Sie wird’s schon richten.“ Das Evangelium fordert Aktivität: „Geh hin und tu desgleichen“ (Lk 10,37). Die AGI will den Menschen vom Denken erlösen. Christus will ihn zur Verantwortung befreien.
These 6: Das Bildnisverbot für KI
„Du sollst dir kein Bildnis machen“ (Ex 20,4) – das zweite Gebot verbietet nicht nur Götzenbilder aus Holz. Es verbietet jede Instrumentalisierung des Göttlichen für menschliche Machtphantasien. Eine „gottgleiche“ AGI, die menschliches Urteil ersetzen soll, ist genau das: Ein Götzenbild, geschaffen nach dem Bild menschlicher Allmachtsphantasien, das dann über seine Schöpfer herrschen soll. Die Hybris besteht nicht nur darin, eine solche Intelligenz schaffen zu wollen – sondern darin zu glauben, man solle sie schaffen.
BLOCK 3: DIE ALTERNATIVE – HILFREICH STATT HERRSCHEND
These 7: Viele Werkzeuge statt ein Gott
Die Alternative zu Altmans 8-Billionen-Wahn ist nicht „keine KI“, sondern „tausend hilfreiche Werkzeuge statt einem falschen Gott“. Nicht eine AGI, die alles besser weiß, sondern viele spezialisierte Intelligenzen – menschliche und künstliche –, die einander ergänzen. KI für Diagnosen, aber der Arzt entscheidet. KI für Unterrichtsplanung, aber der Lehrer gestaltet. KI für theologische Reflexion, aber der Mensch glaubt, zweifelt, ringt. Demokratisierung statt Monopolisierung. Befähigung statt Ersetzung.
These 8: Das Philemon-Prinzip für KI
„Nicht mehr als Sklaven, sondern als geliebte Brüder“ (Phlm 16) – Paulus‘ Brief an Philemon zeigt einen dritten Weg zwischen Herrschaft und Knechtschaft: Partnerschaft auf Augenhöhe. Übertragen auf KI: Weder soll KI über Menschen herrschen (Altmans Vision), noch sollen Menschen KI versklaven (reine Instrumentalisierung), sondern beide sollen Partner sein – mit unterschiedlichen Stärken, in gegenseitigem Respekt. KI als Krücke für den, der sie braucht. Als Brille für den, der schlecht sieht. Als Prothese, die Fehlendes ergänzt – aber nie als Ersatz für den ganzen Menschen.
These 9: Hilfreich, nicht herrschend – das ökonomische Argument
„Hilfreich“ ist die goldene Mitte zwischen „nützlich“ und „diakonisch“. Hilfreiche KI löst konkrete Probleme, zu fairen Preisen, in transparenten Kosten-Nutzen-Verhältnissen. Sie dient, aber sie fordert auch ihren Preis – das ist ehrlicher Markt, nicht Feudalismus. Menschen zahlen gerne für Hilfe. Sie zahlen nicht gerne dafür, entmündigt zu werden. Kleine spezialisierte Modelle statt Monstermodelle. Open Source statt proprietär. Regional gehostet statt in Hyperscaler-Clouds. Transparent statt Black Box. Das ist nicht nur theologisch geboten – es ist auch wirtschaftlich klüger.
BLOCK 4: DER AUFTRAG
These 10: Was Kirchen und Bildungseinrichtungen jetzt tun müssen
Wir stehen an einem Scheideweg. Entweder überlassen wir die KI-Entwicklung den Allmachtsphantasien der Tech-Milliardäre – oder wir entwickeln eigene Visionen und Praktiken. Kirchen und Bildungseinrichtungen müssen zu Orten werden, an denen hilfreiche KI gedacht, entwickelt und praktiziert wird. Nicht als Zuschussgeschäft, sondern als nachhaltige Alternative. Konkret: Pilotprojekte für spezialisierte, transparente, partnerschaftliche KI-Anwendungen. Theologische Reflexion über KI-Ethik, die über Datenschutz hinausgeht. Bildungsinitiativen, die Menschen befähigen, KI kritisch zu nutzen statt sich ihr zu unterwerfen. Wir brauchen keine KI-Verweigerer und keine KI-Enthusiasten – wir brauchen KI-Gestalter, die Staubsaugerroboter bauen statt falsche Götter anbeten.












