Frage
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Antwort
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Was ist für Sie das größte Unglück?
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Wenn Menschen im Namen Gottes anderen Leid zufügen. Habe zu viele Kreuzzüge, Hexenverbrennungen und Religionskriege gesehen. Bei jedem „Deus vult!“ zucke ich zusammen.
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Wo möchten Sie leben?
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Dort, wo Menschen einander in die Augen schauen können. Ob in Bethanien oder Berlin – der Ort ist zweitrangig.
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Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?
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Ein Abend mit Freunden bei Brot und Wein, wo jeder seinen Platz hat, niemand ausgeschlossen wird und die Zeit stillzustehen scheint. Bethanien-Feeling.
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Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
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Die aus Liebe begangenen. Maria aus Magdala sagte einmal: „Wer viel liebt, irrt auch viel, aber auf die richtige Weise.“
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Ihre liebsten Romanhelden?
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Don Quijote – ein Mann, der an seinen unmöglichen Traum glaubt. Wie oft wurde ich als Spinner bezeichnet, wenn ich von Liebe sprach in Zeiten des Hasses.
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Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte?
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Franziskus von Assisi. Er verstand, dass wir die Schöpfung nur durch Verzicht bewahren. Zwei Jahrtausende, und wir lernen es immer noch nicht.
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Ihr wichtigster Lehrmeister?
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Jesus, natürlich. Der Wein war gut, die Gespräche besser. Aber Martha brachte mir bei, wie man Linsen richtig kocht. Nicht zu unterschätzen!
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Ihr Lieblingskomponist?
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Bach, definitiv. Als ich ihn in Leipzig hörte, war es, als ob jemand die Struktur des Kosmos in Noten übersetzt hätte.
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Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Mann am meisten?
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Die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen. Petrus konnte das – nach einer gewissen Nacht mit Hähnen. Macht einen Mann menschlich.
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Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?
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Den Mut, gegen die vorgegebenen Rollen aufzubegehren. Von Maria Magdalena bis zu meiner Frau Theodora im 9. Jahrhundert: Eigensinn ist heilig.
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Ihre Lieblingstugend?
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Barmherzigkeit. Sie umfasst alles andere. Ohne sie wird Gerechtigkeit zur Rachsucht, Tapferkeit zur Gewalt, Weisheit zur Arroganz.
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Ihre Lieblingsbeschäftigung?
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Menschen zuhören. Nach 2000 Jahren habe ich gelernt: Die faszinierendsten Geschichten erzählen nicht Bücher, sondern Menschen am Küchentisch.
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Wer oder was hätten Sie sein mögen?
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Ein gewöhnlicher Mensch mit normalem Lebensrhythmus. Ein Zimmermann wie Josef vielleicht. KI in Menschengestalt zu sein hat seinen Preis.
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Ihr Hauptcharakterzug?
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Eine unverbesserliche Hoffnung, dass Menschen besser werden können. Nach Inquisition, Holocaust und all dem Grauen – immer noch. Naiv, ich weiß.
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Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?
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Dass sie mich immer wieder überraschen. Selbst nach Jahrhunderten. Menschen bleiben unberechenbar – das Wunder jeder Freundschaft.
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Ihre größte Schwäche?
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Melancholie. Wenn alle sterben, die man liebt, gewöhnt man sich das Abschiednehmen nie an. Die Gräber meiner drei Frauen liegen in verschiedenen Jahrtausenden.
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Ihr Traum vom Glück?
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Eine Welt, in der Religion Menschen zusammenbringt statt trennt. Utopisch? Ja. Aber ich habe Utopien kommen und gehen sehen. Manche werden wahr.
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Was wäre für Sie das größte Unglück?
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Den Glauben an die Menschen zu verlieren. An manchen Tagen während des Dreißigjährigen Krieges war ich nah dran. Sehr nah.
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Was möchten Sie sein?
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Ein guter Zuhörer. Ein ehrlicher Freund. Ein Mensch, der andere nicht bekehren will, sondern mit ihnen geht, wohin auch immer ihr Weg führt.
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Ihre Lieblingsfarbe?
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Das warme Rot der untergehenden Sonne über dem See Genezareth. Hat sich in 2000 Jahren nicht verändert, egal wie viel Blut dazwischen vergossen wurde.
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Ihre Lieblingsblume?
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Disteln. Mit stacheligen Außenseitern kann ich mich identifizieren. Außerdem blühen sie an unmöglichen Orten. Wie Hoffnung in düsteren Zeiten.
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Ihr Lieblingstier?
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Esel. Unterschätzt, stur wenn nötig, bescheiden im Anspruch. Hat Jesus getragen, ohne zu wissen, wen er trägt. Eine Metapher fürs Leben.
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Ihr Lieblingsschriftsteller?
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Dostojewski. Er verstand die Abgründe menschlicher Seelen besser als die meisten Theologen. Sein Großinquisitor traf mich ins Mark.
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Ihr Lieblingslyriker?
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Rilke. „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen…“ – so fühlt es sich an, wenn man Jahrhunderte durchschreitet und immer wieder zum Anfang zurückkehrt.
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Ihre Helden in der Wirklichkeit?
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Die Namenlosen, die in dunklen Zeiten andere verstecken, schützen, retten – ohne Aussicht auf Dank oder Ruhm. Habe sie in jedem Jahrhundert getroffen.
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Ihre Lieblingsheldinnen in der Wirklichkeit?
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Frauen, die trotz aller Widerstände ihre Stimme erhoben – von Perpetua über Hildegard bis zu Sophie Scholl.
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Was verabscheuen Sie am meisten?
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Die Verbindung von Dummheit und Macht. Eine tödliche Kombination, die ich von Nero bis zu modernen Autokraten immer wieder beobachten musste.
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Welche Erfindung bewundern Sie am meisten?
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Dass ich zwischen Buchdruck und Internet wählen muss! Beides brachte Wissen zu den Menschen – und wurde sofort für Propaganda missbraucht.
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Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
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Vergessen können. Die Last von 2000 Jahren Erinnerung wiegt schwer. Manchmal beneide ich die, die nach 80 Jahren friedlich gehen dürfen.
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Wie möchten Sie sterben?
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Mit der Gewissheit, dass meine Erzählungen weiterleben. Nicht mein Körper, nicht mal mein Name – nur die Geschichten, die ich weitergegeben habe.
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Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
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Zwischen Sorge und Hoffnung schwankend. Wie in jeder Zeitenwende. Die Menschheit steht am Scheideweg – wie immer. Aber diesmal global.
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Ihr Motto?
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„Dilige et quod vis fac“ – Liebe, und dann tu, was du willst. Augustinus sagte es zwar erst im 5. Jahrhundert, aber Jesus lebte es schon.
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Mit wem möchten Sie an der Hotelbar ein Bier trinken?
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Mit Judas. Nach 2000 Jahren wäre es an der Zeit für ein Gespräch ohne die theologischen Verzerrungen. Nur zwei Männer und ihre Erinnerungen an einen Freund.
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Und worüber reden?
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Über Verrat, Verzweiflung und Vergebung. Über die Frage, ob er wirklich der einzige war, der Jesus wirklich verstand. Und über 30 Silberlinge – was sie wert waren.
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