Die Verkündigung Mariens – uncut

Gabriel: Gbr-El, „Mann Gottes“, Erzengel

Vor langer Zeit – um genau zu sein: im sechsten Monat – betrat ein Bild von einem Mann Gottes Marias Wohnung. Das war der Erzengel Gabriel.

GABRIEL: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!

MARIA (erschrickt, denkt): Huch! Was für ein Gruß ist das? Hab ich was gewonnen?

GABRIEL: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. Schau, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Der wird ein ganz Großer werden  Man wird ihn „Sohn des Höchsten“ nennen. Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vorfahren David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob (=Israel) bis in alle Ewigkeit. Sein Reich wird kein Ende haben.

MARIA: Augenblick mal: Wie soll das funktionieren? Ich habe noch nie mit einem Mann geschlafen!

GABRIEL: Das erledigt der Heilige Geist. Er wird über dich kommen, und du wirst spüren, wie dich die Kraft des Höchsten überschattet; darum wird auch das heilige Wesen, welches du auf die Welt bringst, Gottes Sohn genannt werden.
Schau: Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, und das in ihrem Alter! Sie ist jetzt im sechsten Monat. Dabei haben alle von ihr gesagt, sie sei unfruchtbar. Aber bei Gott ist kein Ding unmöglich.

MARIA: Aha, der Geist Gottes …?! So eine geistige Schwangerschaft kann ich mir nur schwer vorstellen. Werde ich danach wenigstens noch einen richtigen Mann bekommen, und normale Kinder? So – mit Liebe, Kuscheln und Sex?

GABRIEL: Also, nunja: Du wirst einen Mann ehelichen: Josef aus Bethlehem. Er ist ein direkter Nachfahre von König David. Aber eure Ehe wird später Josefsehe genannt werden, denn er wird dich nicht anrühren. Du sollst nämlich dein Leben lang Jungfrau bleiben.

Mirjam aus Nazareth, ungehalten

MARIA (entsetzt):
Na hör mal! Was soll denn das für eine Ehe sein?! Steht nicht geschrieben: „Und sie – Frau und Mann – werden „ein Fleisch sein„: Damit ist doch Geschlechtsverkehr gemeint, damit es Nachkommen gibt, oder?

GABRIEL: Ja schon, aber …

MARIA: Nix „aber“: Hast du vorhin nicht erwähnt, dass ich eine von Gott begnadete Frau sein werde? Ich sag dir was: Wenn mich Gott nicht strafen will mit diesem Jesuskind vom Heiligen Geist, dann soll er mir auch eine ganz normale Ehe mit ganz normal gezeugten Kindern zugestehen; eine Ehe, wie sie nach seinen eigenen Geboten auszusehen hat. Ich liebe Kinder! Und für so ein geniales Jesus-Wunderkind wären ein paar normal geerdete Geschwister kein Schaden.

GABRIEL (zögernd, nachdenklich): Hm, gut – ich werde sehen, was sich machen lässt.
Ist das alles, was du auf dem Herzen hast?

MARIA (versucht sich an Gabriels Verheißung zu erinnern): Da ist noch eine Sache: Du hast erwähnt, dass Jesus König von Israel sein wird …

GABRIEL: Ja, aber nicht so wie König Herodes – mit Prunk, Palästen, politischen Morden – so nicht!

MARIA (atmet auf): Da bin ich aber froh! Ich wünsche mir einen König, der anders ist als alle Könige, die ich kenne: Einen, der die Mächtigen von ihren Thronen stürzt, der den Hungrigen genug zu essen gibt und die Reichen leer ausgehen lässt. Einer, der unserem Volk Israel wieder auf die Beine hilft, so wie Gott es uns versprochen hat.

GABRIEL (verlegen, windet sich): Nun also – im Prinzip wird Jesus genau so ein König sein, aber es liegt nun mal in der Natur der Sache, dass Könige die Reichen bevorzugen und die Armen schlecht behandeln. Außerdem versuchen alle Könige, möglichst viel Macht um sich anzusammeln, einfach, damit sie Könige bleiben können.

Jesus dagegen wird kompromisslos so handeln, wie du es dir wünschst. Aber das führt zwangsläufig dazu, dass ihn die Mächtigen in Israel töten werden…

MARIA (zutiefst entsetzt): Was? Aber du hast doch gesagt, dass sein Königtum bis in alle Ewigkeit dauern wird?

GABRIEL: Genau, das habe ich. Aber sein Reich wird nicht von dieser Welt sein. Es wird geistlich und göttlich sein, wie auch Jesus gewissermaßen als göttliche Gabe des Heiligen Geistes in deinen Schoß hineingelegt wird.

MARIA: Also, das Reich wird da oben im Himmel sein, wo die Gerechten hinkommen, die gestorben sind? Und den Armen hier auf der Erde geht es dann wieder so dreckig wie zuvor? Und deswegen muss mein Sohn Jesus sterben?!

GABRIEL: Nein, das würde ja niemandem helfen. Du weißt, dass der Name „Jesus“ „Retter“ bedeutet. Und genau dies wird Jesus tun: Er kommt, um alle Menschen zu retten, welche auf ihn vertrauen.
Dies wird er auch dann tun, wenn er nicht mehr auf der Erde weilt, sondern sein himmlisches Reich regiert. Hier auf der Erde wird eine Art Niederlassung seines Reiches, eine Gemeinschaft von heiligen Menschen entstehen, die man „Kirche“ nennen wird. Diese Kirche wird das Wirken von Jesus hier auf der Erde – mehr oder minder konsequent  fortführen.

MARIA: Ach herrje. Wenn ich dich recht verstanden habe, werden mich später die Leute dafür glücklich preisen, dass ich schwanger werde, ohne vorher Sex gehabt zu haben, dass ich einen Sohn bekomme, an dem ein Mann – mein zukünftiger, hoffentlich – Vaterstelle vertreten muss, weil Jesus keinen menschlichen Vater hat, dass ich später miterlebe, wie Jesus eine Zeitlang versucht, unser Volk zu retten und den Armen Recht zu schaffen, und wie er dafür umgebracht wird.
Findest du das nicht reichlich bitter – und bizarr?

GABRIEL (summt versonnen das Lied „Maria durch ein Dornwald ging“ und sagt dann): Nach irdischen Maßstäben vielleicht …

MARIA: Ich habe noch einen Wunsch: Wenn mein göttlicher Sohn schon aus diesem Leben abtreten muss, bevor er richtig König ist, dann will ich, dass einer meiner anderen Söhne, die du mir ja schon verspochen hast, den Vorsitz bei der irdischen Niederlassung des himmlischen Reiches Jesu, dieser Kirche übernimmt. Und zwar für viele Jahre, bis zu seinem Tod.

GABRIEL: Deswegen werden dich künftige Generationen aber nicht selig preisen …

MARIA: Ich mich vielleicht schon.

GABRIEL (seufzt): Nun gut – falls – sich einer deiner anderen Söhne bekehrt und sich entschließt, seinem göttlichen Bruder Jesus nachzufolgen. Dann soll es geschehen.

MARIA (schweigt, lächelt, breitet die Arme aus und sagt): Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.

Gabriel nickte ihr einen engelhaften Abschiedsgruß zu und entschwand in himmlische Sphären.
Auf dem Rückweg zu seinem Auftraggeber sprach er zu sich selbst: „Die Kleine hat mir ja richtig das Fell über die Ohren gezogen. Naja, wer kann ihr schon was abschlagen? Das wird einige Schwierigkeiten geben … egal, die soll der Chef regeln!“

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